Eine Kampfzone namens Binnen-I Bürgermeisterkandidaten? Oder BürgerInnenmeisterInnenkandidatInnen?
Die Debatte um geschlechtsgerechte Sprache reißt nicht ab. Nachdem am Montag Sprachkritiker in einem offenen Brief an das Bildungsministerium eine „Rückkehr zur sprachlichen Normalität“und damit ein Ende des Genderns gefordert hatten, legte die Leiterin des Komitees zur Regelung des Schriftverkehrs, Walburg Ernst, am Dienstag noch nach: Sie gab bekannt, einen neuen Anlauf für ihre Initiative gegen das Binnen-I zu starten.
Grundlage für die Diskussion ist ein Önorm-Entwurf zu geschlechtsgerechter Sprache inAmts- und Geschäftsschreiben, der im Frühjahr für Empörung gesorgt hat. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, weibliche Formen von Wörtern durch Generalklauseln zu ersetzen. Bürgermeisterinnen etwa würden damit als Bürgermeister bezeichnet. VomBinnen-I wird gänzlich abgeraten, die SN berichteten.
Mehr als 1400 Stellungnahmen sind seit der Veröffentlichung im März beim Österreichischen Normungsinstitut Austrian Standards eingegangen. „Das hat es bei uns noch nie gegeben“, sagte Sprecher Johannes Stern am Dienstag. Die Kommentare reichten von jubelnder Zustimmung bis hin zu vehementer Ablehnung.
„Gendern widerspricht der amtlichen Rechtschreibung.“
Warum es gerade bei diesem Thema zu einem Schwarz-WeißDenken kommt, erklärt Sozialforscherin Birgit Buchinger vom Forschungsinstitut Solution. „Die Frage der Geschlechtsgerechtigkeit betrifft das individuelle Leben.“Darüber zu urteilen brauche eine hohe Bereitschaft zur Reflexion, die in der österreichischen Kultur nicht ausgeprägt sei. Ihrer Meinung nach müsse man alle Geschlechter benennen, um Menschen sichtbar zu machen. „Es ist deshalb wichtig, dass die Regierung eine klare Richtung vorgibt“, sagt Buchinger.
Die knapp 800 Personen, die den offenen Brief unterzeichnet haben, sind anderer Meinung. Einer der Unterzeichner ist Sprachwissenschafter Heinz-Dieter Pohl. Er will das Binnen-I in keinem Text mehr sehen. Der wesentliche Punkt sei, dass Gendern der amtlichen Rechtschreibung widerspreche. „Es gibt keine Regelung, die das rechtfertig“, sagt Pohl. In Schulen, wo Kinder das richtige Rechtschreiben lernen sollten, sei Gendern daher bedenklich.
Dieser Meinung schließt sich Gerlinde Ondrej an. Sie ist Geschäftsführerin des Satzstudios Exakta, das auch Schulbücher herstellt. Sie nennt folgendes Beispiel: „,Die Lehrerin/der Lehrer sagt ihm/ihr, er/sie soll . . .‘ – das kann kein Erwachsener erfassen, ge- schweige denn ein Kind“, sagt Ondrej. Ähnliche Beispiele gebe es aus der juristischen Literatur, die Gesetzestexte völlig unverständlich machten.
Prominente Unterstützung bekommt die Initiative von Schauspielerin Chris Lohner. „Es ist ein Alibi, Frauen mit einem großen I zu feiern“, sagt sie. Wichtiger wäre es, sie für die gleiche Arbeit auch gleich zu bezahlen wie Männer. Ein Anfang könnte es sein, Geschlechter aus Bewerbungen herauszunehmen und die Fachkenntnisse in den Vordergrund zu stellen, wie es bereits in anderen Ländern der Fall sei. „Dann würden mehr Frauen zu Gesprächen eingeladen“, ist sich Lohner sicher.
In die umstrittene Önorm soll im Herbst Bewegung kommen. Austrian Standards will die Beteiligten im Oktober zu einem offenen Dialog einladen. Danach soll laut Sprecher Johannes Stern vor allem die Frage geklärtwerden, ob das Thema überhaupt regelbar sei.